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Leben

Hand aufs Herz: Wann haben Sie sich zuletzt über Kleinigkeiten geärgert oder vielleicht sogar einen Menschen, den Sie mögen, angeschrien? Wann waren Sie ängstlicher, als Ihnen lieb war, und bei welcher Gelegenheit waren Sie maßlos enttäuscht?

Stellen Sie sich einmal vor, wie wunderbar es wäre, im nahezu allgegenwärtigen, unvermeidbar erscheinenden Alltagsstress einen kühlen Kopf zu behalten, mehr noch: sich trotzdem richtig gut zu fühlen, so als stünde man über den Dingen.
Gibt es ein stressfreies Leben, das über die täglichen Meditationspausen, den jährlichen Urlaub, das gelegentliche Retreat hinausgeht, und das möglichst schon vor dem Ruhestand ab 65? Wobei anzumerken wäre, dass selbst die genannten Zeiten der Erholung eine Menge Möglichkeiten bieten, sich das Leben schwer zu machen. Oder gelingt es Ihnen wirklich jedes Mal, Ihren Urlaub zu genießen oder ohne Stress zu meditieren? Könnte die Lösung darin bestehen, mehr Gelassenheit zu entwickeln? Und was ist überhaupt Gelassenheit? Auf den Punkt gebracht bedeutet Gelassenheit den entspannten Umgang mit Schwierigkeiten. Wer Probleme mit innerer und äußerer Ruhe zur Kenntnis nehmen und unaufgeregt auf sie reagieren kann, darf sich zu Recht als gelassen bezeichnen.

 

Auf den Punkt gebracht bedeutet Gelassenheit den entspannten Umgang mit Schwierigkeiten.

 

Man hört es ja schon am Wort ‚Gelassenheit‘. Es hat etwas mit ‚lassen‘ zu tun, mit ‚loslassen‘ und ‚sein lassen‘. Man kann sich ständig aufregen, aber man kann es auch lassen, wenn man denn weiß, wie. Da wahre Gelassenheit so selten ist, verwechseln viele sie mit Gleichgültigkeit, Desinteresse oder gar Resignation. Dabei sind Gelassenheit und Engagement überhaupt kein Gegensatz. Im Gegenteil, innere Ruhe macht effektives Handeln oft erst möglich. Wer bei der kleinsten Schwierigkeit wie ein aufgescheuchtes Huhn durch die Gegend läuft, ist nicht fähig, angemessen und sinnvoll zu handeln. Ohne Erholung überfordert man sich und brennt im schlimmsten Fall aus.

 

Gelassenheit hilft einem, das Wichtige zu tun und das Unwichtige zu lassen.

 

Gelassenheit hilft einem, das Wichtige zu tun und das Unwichtige zu lassen. Resignation fühlt sich ganz anders an als Gelassenheit. Da Resignation die kleine Schwester der Depression ist, macht sie einen matt und hilflos, während Gelassenheit von Optimismus und Lebensfreude begleitet wird. Wer resigniert, sieht sich als Opfer und gibt auf. Wer gelassen ist, erkennt seine Möglichkeiten und handelt entschlossen, ohne sich zu verausgaben.

Gelassene Menschen lassen sich von anderen keinesfalls über den Tisch ziehen. Sie sind vielmehr in der Lage, Konflikte auszuhalten und konstruktiv über Lösungen zum gegenseitigen Vorteil zu verhandeln. Wer seine Gefühle dagegen nicht zügeln kann und bei Meinungsverschiedenheiten sofort die sprichwörtliche Sau rauslässt, mag es zwar hin und wieder schaffen, andere einzuschüchtern und seinen Vorteil daraus zu ziehen. Derjenige zerstört damit jedoch seine Beziehungen, torpediert friedliche Lösungen und muss jederzeit mit der Rache der von ihm Unterdrückten rechnen.

 

„Kann man auch zu gelassen sein?“ Das fragen mich manchmal meine Coachingklienten. „Werde ich nicht zu einem gefühllosen Roboter, wenn mich nichts mehr aufregt?“ Überhaupt nicht! Gelassene Menschen sind nicht weniger emotional als gestresste. Sie fallen nur nicht auf jede Provokation herein und haben kein Bedürfnis, aus Kleinigkeiten ein Drama zu machen. Niemand kann einfach so ihre Knöpfe drücken, das heißt, mit einem bestimmten Verhalten bestimmte Reaktionen hervorrufen. Gelassene Menschen sind nicht darauf aus, in der Achterbahn der Gefühle rauf und runter zu sausen. Sie halten sich auch nicht mit Wut über Dinge auf, die sie nicht ändern können. Statt sich auf ihre Ängste und Sorgen zu konzentrieren, richten sie ihren Fokus lieber auf die Möglichkeiten und Freuden des Lebens.

Sind wir heutzutage eigentlich besonders gestresst? Nein, der Buddha hat bereits vor 2.500 Jahren die Überwindung des Leidens zu seinem Lebensthema gemacht. Epiktet suchte als Sklave einen Weg, nicht zu verzweifeln.
Wer alte Schriften studiert, stößt sowohl auf Klagen über die respektlose Jugend als auch auf die Überzeugung, die Erde sei ein einziges Jammertal. Stress ist also keine Erfindung des 21. Jahrhunderts.

 

Eine sehr frühe Anleitung zur Gelassenheit finden wir in der Buddha-Lehre.

 

In allen Menschen ist die Fähigkeit zur Gelassenheit als Alternative zum Alltagsstress angelegt, ebenso wie Liebe und Hass, Kooperation und Konkurrenz, Bewusstheit und Unachtsamkeit, Glück und Unglück.
Jeder Mensch kann so oder so auf äußere Umstände reagieren. Die innere Freiheit ist das größte Geschenk, das uns gegeben wurde. Was wir daraus machen, steht uns ebenfalls frei. Wir können diese Freiheit nutzen oder nicht. Wir können in jeder Situation gelassen oder gestresst sein.

Eine sehr frühe Anleitung zur Gelassenheit finden wir in der Buddha-Lehre. Dem Buddha ging es um die Befreiung vom Leiden. Er hat eine Antwort gesucht und gefunden, wie wir mit den kleinen und großen Veränderungen im Leben, insbesondere mit Krankheit, Alter und Tod, auf eine Weise umgehen können, die uns die Existenz nicht verleidet, sondern inneren Frieden ermöglicht.

Gelassenheit verbindet man in unserer Kultur jedoch eher mit den Stoikern – ‚stoische Gelassenheit‘ – als mit der Buddha-Lehre. Deshalb wollen wir uns zunächst dieser Philosophie zuwenden. Sie hat in der modernen Psychotherapie eine überraschende und vielen noch nicht bekannte Renaissance erlebt.

Auch der antike Philosoph Epiktet, der im Gebiet der heutigen Türkei geboren und als Sklave nach Rom gebracht wurde, hat einen Ausweg aus dem Leiden gesucht und dabei vor 2.000 Jahren erkannt: Es sind nicht die Dinge, die uns beunruhigen. Was wir über sie glauben, macht uns zu schaffen.

In neuerer Zeit, nämlich Mitte der 1950er Jahre, entwickelten sich in den USA verschiedene kognitive Methoden, die auf den Erkenntnissen des Philosophen Epiktet gründen, sich aber um eine heute verständlichere Sprache bemühen und die praktische Anwendbarkeit in den Vordergrund stellen. Albert Ellis und Aaron T. Beck sind die Gründungsväter der Rational-Emotiven beziehungsweise der Kognitiven Verhaltenstherapie, die mittlerweile auch in Deutschland und vielen anderen Ländern angewendet werden, um Depressionen und Panikattacken zu heilen. Ihre ‚stoischen‘ Methoden sind aber auch ausgesprochen hilfreich, um Gelassenheit ins eigene Leben zu bringen.

 

Wir fühlen, wie wir denken.

 

Die Kernthese beider Therapien lautet: Wir fühlen, wie wir denken. Bleiben wir einen Moment bei dieser Aussage, die auf den ersten Blick so einfach und selbstverständlich erscheint und doch erst bei näherer Betrachtung ihr ganzes Potenzial entfaltet. Dazu ein Beispiel: Mehrere Menschen stecken aufgrund einer technischen Panne in einem Fahrstuhl fest. Nichts geht mehr. Zu allem Übel fällt auch noch die Beleuchtung aus. Stellen Sie sich vor, Sie wären in dem Fahrstuhl. Wie würden Sie sich fühlen? Üblicherweise geht man davon aus, dass die eigene Reaktion die einzig natürliche und richtige sei. „Ist doch klar, dass man in einer solchen Situation Beklemmungen bekommt“, sagen Sie vielleicht. Aber stimmt das? Ist es wirklich die Situation, die ein Gefühl wie Angst hervorruft? Wie sagte Epiktet? Es sind nicht die Dinge, die uns beunruhigen, sondern unsere Meinung darüber macht uns zu schaffen.

Nehmen wir an, es sind fünf Personen, die in dem Fahrstuhl feststecken. Die erste reagiert mit Angst, weil sie sich vorstellt, die Fahrstuhlkabine würde infolge des Stromausfalls in die Tiefe stürzen. Der zweite Fahrstuhlinsasse dagegen kann nur mühsam seine Wut zügeln. „Bekommen die es heutzutage denn nicht einmal mehr hin, einen Fahrstuhl ordentlich zu betreiben?“, denkt er voller Zorn. Neben ihm steht der Dritte, der die Sache wiederum ganz anders sieht: „Wahnsinn! Wenn das hier ein paar Stunden und vielleicht sogar die Nacht über so weitergeht, berichten bestimmt die Regionalnachrichten darüber. Und ich bin dabei und werde im Radio interviewt.“ Die vierte Betroffene ist weder ängstlich noch ärgerlich noch freudig erregt, sondern nutzt die Zeit, um mithilfe ihres beleuchteten elektronischen Lesegeräts ein paar Seiten ihres neuen Romans zu entziffern. „Länger als zwei Stunden wird das hier ja wohl nicht dauern“, denkt sie, „wie gut, dass ich die Zeit sinnvoll nutzen kann.“ Der Fünfte ist ganz in sich zusammengesunken: „Immer müssen mir solche schrecklichen Sachen passieren. Ich bin doch ein wahrer Pechvogel!“, sagt er deprimiert zu sich selbst.

Fünf verschiedene Reaktionen auf ein und dieselbe Situation. Wären es die äußeren Umstände, die unmittelbar die Emotionen hervorrufen, wäre diese Bandbreite an Gefühlen nicht möglich. Dann müssten alle Menschen im Fahrstuhl entweder verängstigt, ärgerlich, begeistert, niedergeschlagen oder gelassen reagieren.

Es ist nicht der äußere Anlass (A), der bestimmte Konsequenzen (C), nämlich unsere Reaktionen und Handlungen nach sich zieht. Dazwischen steht immer die Bewertung (B), die darüber entscheidet, wie wir uns fühlen und was wir tun. Da haben wir es: das ABC der Gefühle, das wir leider nicht in der Schule gelernt haben, obwohl es für Gelassenheit so wichtig ist. Wer das ABC der Gefühle nicht kennt, glaubt, dass seine Emotionen ohne sein Zutun zustande kämen. Er ist davon überzeugt, nur durch eine Änderung der Außenwelt Einfluss auf seine Befindlichkeit nehmen zu können: „Ist doch klar, dass ich sauer bin, wenn alles schiefgeht.“ „Meine Kollegin nervt mich total.“ „Sobald ich die Zeitung aufschlage, bin ich deprimiert.“ So reden Menschen, denen das ABC der Gefühle fremd ist.

Albert Ellis, der Begründer der Rational-Emotiven Verhaltenstherapie, riet dazu, Dramatisierungen zu unterlassen. Ist wirklich ALLES so FURCHTBAR? Wer bestimmt überhaupt, wie die Dinge sein MÜSSEN? Ist unsere Weltsicht nicht gleich eine viel zuträglichere – um nicht zu sagen gelassenere –, wenn wir darauf verzichten, der Welt vorschreiben zu wollen, wie sie zu sein habe?

Aaron T. Beck, der die Kognitive Therapie entwickelt hat, ist davon überzeugt, dass vor allem Missverständnisse dafür verantwortlich seien, wenn Menschen sich schlecht fühlen. Wer denkt „Keiner liebt mich“, übersieht leicht diejenigen, die ihn mögen. Erwartet jemand ständig Katastrophen, schätzt er offensichtlich die Zukunft zu schlecht ein. Derjenige könnte zum Optimisten ‚umschulen‘ oder lernen, seinen Pessimismus nicht so ernst zu nehmen. Wer schwarz-weiß denkt, kann lernen, die Grautöne zu erkennen.

 

Wer noch nicht gelassen ist, kann es werden, und zwar durch ein Training des Geistes.

 

Die kognitiven Methoden lassen sich stärker im Pädagogischen als im Therapeutischen verorten. Sie sehen Menschen, die emotionale Probleme haben, nicht als neurotisch an, sondern als unwissend im Hinblick auf die Entstehung ihrer Gefühle.

Die gute Nachricht lautet: Wer noch nicht gelassen ist, kann es werden, und zwar durch ein Training des Geistes. Niemand ist aufgrund seiner Gene, seiner Familienkonstellation oder der gesellschaftlichen Zustände gezwungen, immer wieder auf eine Weise zu reagieren, die zu Stress führt. Niemand braucht denselben Denkfehler ständig zu wiederholen, sondern kann ihn korrigieren und damit die ungesunden Folgen für sich und die anderen verringern.

Genau dies lehrte auch der Buddha. Er war davon überzeugt, dass jeder Mensch, ob Mann oder Frau, Arm oder Reich, Mönch oder Laie, Seelenruhe erreichen kann. Und auch der Weg dahin wurde vom Buddha beschrieben: „Woran man viel denkt, dahin neigt sich der Geist. Wenn in ihm Gedanken aufsteigen, die sich auf Gier, Hass oder Verblendung beziehen, dann soll er eine andere Vorstellung hervorrufen, die sich auf Heilsames bezieht, sodass ihm die schlechten, unheilsamen Gedanken schwinden und vergehen“, lehrte er. „Wer sein Denken so lenken kann, den nennt man Meister der Gedankenbeherrschung.“

Der Buddha meditierte. Das ist allgemein bekannt. In fast allen Darstellungen wird er in der klassischen Meditationshaltung gezeigt. Deshalb scheint es so, als sei Meditation der Kern seiner Lehre gewesen. Zweifellos ist Meditation sehr nützlich, um Achtsamkeit zu schulen. Bewusstheit allein führt aber nicht automatisch dazu, unheilsame Denkgewohnheiten zu überwinden. Meister der Gedankenbeherrschung kann sich nur nennen, wer in der Lage ist, Überzeugungen, die Leid hervorrufen, durch solche zu ersetzen, die Glück oder Gelassenheit zur Folge haben. Wahlweise kann man die Identifikation mit leidvollen Gedanken aufgeben.

Dauerhafte Veränderungen im Denken und Handeln gelingen nicht von heute auf morgen. Ebenso wie Verhaltensweisen, die einem nicht guttun, können auch Stress verursachende Denkgewohnheiten ziemlich stabil sein, sonst wären es ja keine. Es kann sehr praktisch sein, den Autopiloten eingeschaltet zu haben, aber ändern wird sich so nie etwas. Neue Verhaltensweisen brauchen nicht nur Erkenntnis, sondern auch viel Übung.
Es ist bei einem geistigen Training genauso wie beim Sport. Niemand würde ernsthaft erwarten, nach einer Joggingrunde bereits topfit zu sein und es für alle Zeiten zu bleiben. Um Gelassenheit zu entwickeln, braucht man ebenfalls mehr als eine Runde. Je mehr Erfolge man aber verzeichnen kann, desto größer der Spaß.


10 Tipps für mehr Gelassenheit

Entdramatisieren Sie Ihre Gedanken und Ihre Sprache. Mit Begriffen wie ‚Katastrophe‘, ‚schrecklich‘, ‚unerträglich‘ übertreibt man oft maßlos.

Glauben Sie nicht alles, was Sie denken. Gedanken kommen und gehen. Manche sind hilfreich, andere irrational.

Ersetzen Sie MUSS durch KÖNNTE. „Ich muss diese Sache heute noch erledigen!“ Wirklich?

Gestatten Sie sich und anderen, Fehler zu machen. Niemand ist perfekt.

Machen Sie öfter einen ‚camera check‘. Registrieren Sie einfach, was geschieht, ohne Bewertung.

Schulen Sie auf Optimist um. Niemand kann die Zukunft voraussagen. Deshalb macht es wenig Sinn, die tiefschwarze Brille aufzusetzen.

Tragen Sie nicht die ganze Welt auf Ihren Schultern. Die halbe reicht. Noch besser ist es, wenn Sie erst einmal Ihre eigene Welt in Ordnung bringen.

Etwas oder jemanden zu hassen ist Zeitverschwendung. Damit schadet man nur sich selbst.

Unterscheiden Sie Wunsch und Gier. Wünsche geben dem Leben eine Richtung. Nur wenn man darauf besteht, dass sie sich erfüllen, überschreitet man die Grenze zur Gier.

Erlauben Sie Ihrem Körper, sich zu entspannen. Spüren Sie ab und zu Ihren Körper von den Zehen- bis zu den Haarspitzen.

 

Übungen für mehr Gelassenheit:

1. Unterscheiden Sie a) Ihre Sinneswahrnehmungen und b) Ihre Gedanken und Gefühle.

2. Unterscheiden Sie a) Ihre Ärgernisse und Probleme und b) Ihre Ziele und Werte.

3. Achten Sie darauf, ob Sie Ihre Aufmerksamkeit auf Ihre Sinneswahrnehmungen oder auf Ihre Gedanken und Gefühle richten und ob Sie sich mit Ihren Ärgernissen und Problemen beschäftigen oder etwas für Ziele und Werte tun.

 

Thomas Hohensee, geboren 1955, ist als Autor im deutschsprachigen Raum sehr erfolgreich. Seine Themen sind Glück, Gelassenheit und Liebe. www.thomashohensee.de

 

Tipp zur Vertiefung:
Thomas Hohensee, 10 Dinge, die jeder von Buddha lernen kann: Mehr Gelassenheit, Glück und Liebe ins Leben bringen. Lotos Verlag, 2016

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Kommentare  
# Silvia Wilhelm 2017-06-06 13:02
Sehr wertvoller Artikel! Vielen Dank!
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