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Als ich kürzlich meinen 50. Geburtstag feierte, fand ich unter den Geschenken einen Stapel Postkarten aus fast vierzig Jahren. Ich hatte sie einer Freundin geschrieben, die in der Heimat geblieben war, während es mich in die Welt gezogen hatte. Die Motive auf der Vorderseite waren manchmal klassisch, manchmal nichtssagend. Das Motiv für die Rückseite war immer das gleiche: Kontakt zu halten – von wo auch immer aus.

Schon von frühester Kindheit an war ich angehalten worden, Briefe zu schreiben. Meist hatten sie den Inhalt, dass ich mich für ein Geschenk bedanken sollte, das ich von der Familie meines Vaters aus Kärnten zugeschickt bekommen hatte. Ich tat mir schwer, weil die Adressaten zwar Verwandte, aber auch irgendwie Fremde waren, die ich nur einmal im Jahr sah. Mit einem ‚Danke‘ war es nicht getan, also leitete man mich an, von der Schule, vom Flöten-, später Klavierspielen zu erzählen. Irgendwann einmal ließ ich die musikalischen Erörterungen hinter mir, schrieb Geburtstagsbriefe, Liebesbriefe, Weihnachtsbriefe. In der Schweiz und in Deutschland hatte ich Brieffreundinnen, mit denen ich Fotos und Erzählungen austauschte. Das Schöne am Briefeschreiben war, dass man sich auf die Antwort freuen konnte. Ja, damals schrieb man zurück. Die Zeit konnte lange werden, aber man hatte ja auch Zeit. Und das Warten verkürzte man mit Leben.

Heute bekomme ich kaum noch Antwort auf meine Briefe. Aber ich weiß, dass sie geschätzt, teilweise sogar gesammelt werden. Auch die Ansichtskarten, die ich nach wie vor schreibe, bleiben so lange präsent, bis ich sie für den jeweiligen Empfänger übersetzt habe. Hashtag Sauklaue. Doch die zwischenmenschliche Schreibwährung ist inzwischen das E-Mail oder die virtuelle Kurznachricht. Ergieße ich mich in Mails, ist die Antwortquote noch recht anständig, wenn ich das Glück habe, den jeweiligen Spam-Ordner zu umschiffen. Doch was die Chat-Möglichkeiten angeht, greift das plötzliche virtuelle Verschwinden, auch ‚Ghosting‘ genannt, um sich. Schon allein, dass es dafür inzwischen eine Bezeichnung gibt! Jetzt ist es bei mir nicht ganz so krass, dass sich manches Gegenüber vollständig in nichts auflöst – es hat halt einfach keine Lust mehr zum Kommunizieren. Bäm, weg!

Laut Wikipedia ist ein Chat eine ‚elektronische Unterhaltung in Echtzeit‘. Finde ich vom Prinzip her ganz großartig. Doch irgendwann begann mir das Herumgeistern auf die Nerven zu gehen. Mir scheint, als würde man diese Dienste inzwischen nicht mehr wirklich zum Kontakthalten oder Verbundensein nutzen, sondern nur mehr zum Austausch von kurzen Mitteilungen. WLAN-SMS quasi. Im Prinzip praktisch, aber oft auch unsinnig und unnötig. Einleitende oder verabschiedende Worte haben Seltenheitscharakter, frei nach dem Motto: „Ich muss prinzipiell gar nichts.“ Auch nicht freundlich, nett oder zumindest höflich sein. Da ist ja meine Leihkatze noch manierlicher, wenn ich sie am Morgen bei der Türe hereinlasse und sie mich anmaunzt.

Unsere Zeit mitsamt ihren technischen Möglichkeiten gibt uns das Gefühl, dass alle mit allen verbunden sind, immer und jederzeit, von Amagasaki bis Zapopan. Doch ist das wirklich so? Mitnichten. Eine Freundin von mir sagt ganz klar: „Ich brauche Kommunikationssicherheit.“ Besser kann ich es nicht ausdrücken. Und zwar insofern, dass ich eine klare Ansage zum Beginn UND Ende eines ‚Gesprächs‘ bekomme – innerhalb von zwei Minuten. So viel Zeit muss sein, sonst bin ich auch ‚Bäm, weg!‘, und zwar für immer und ewig.

Claudia Dabringer

Claudia Dabringer

Studium der Germanistik und Publizistik in Salzburg mit allem, was zu einer Studentenzeit dazugehört. Mehrjährige Konzentration aufs Radiomachen, bis alles durchexerziert war und das Schreiben wieder im Kopf präsent wurde. Seitdem freie Journalistin und als Fachtrainerin & Schreibpädagogin...
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