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Neulich an einem Samstagabend. Verabredung mit einer Freundin zum Flüchtlingsfest. Ehrenamtliche Sprachtrainerinnen sollten da hin, wenn ihnen an der Sache was liegt und sie sich nicht gerade mit Meteoriteneinschlägen oder Mottenschwärmen in der Sockenlade herumschlagen müssen.

Ich weiß nicht, was ich erwarte. Vielleicht den einen oder anderen meiner ‚Schützlinge‘. Vielleicht Musik jenseits des Mainstreams. Auf jeden Fall ein ähnliches Gefühl, das mich auf Reisen in den Orient überkommt. Ein ‚arabisches‘ quasi. Natürlich ist mir klar, dass es da nichts über einen Kamm zu scheren gibt, dass Afghanen ganz anders ticken als Ägypter oder Algerier. Und doch haben sie eines gemeinsam: die männliche Energie.

Auf irgendeine Art schaffen es diese Männer, das Yin und Yang in sich zu vereinen. Sie tragen Kleider (sprich Kaftane) und setzen ihr Leben aufs Spiel. Sie tanzen und küssen sich, während sie für eine bessere Zukunft ihrer Familien kämpfen. Sie lieben ihr Land, wissen kaum, was sie erwartet, wenn sie es verlassen, und tun es trotzdem. Und selbst in der Rolle des Bittstellers bleiben sie würdevoll. Das ist mit viel Selbstbeherrschung verbunden, die nicht immer glückt. Und ich bin weit davon entfernt, diese fehlgeleiteten Auswüchse gutzuheißen. Doch das Pars-pro-toto-Prinzip auf diese Gruppe anzuwenden, halte ich schlichtweg für verkehrt.

Auf der Tanzfläche – das Verhältnis zwischen Frauen und Männern liegt bei 1:5 – explodiert die Lebensfreude. Letztere feuern sich gegenseitig an und beklatschen die Bewegungen des anderen, auf die jede Bauchtänzerin nach zehn Jahren Übung noch neidisch wäre. Ich spüre den Willen zum Loslassen des Flüchtlingsalltags, des Wartens, Hoffens, Bangens. Diese Männer sind vollkommen im Augenblick und lassen sich vom Rhythmus tragen. Wir Frauen sind Teil, tanzen alleine oder mit den Männern, die sich in respektablem Abstand auf die westlichen ‚Moves‘ einstellen. Bei einem heimischen Clubbing ist das mit der Distanz keine Selbstverständlichkeit.

Geschweige denn beim Baden. Da sehnt man sich an einem heißen Tag nach Abkühlung unter einem schattigen Baum, mehreren Runden im See und Ruhe für sich. Natürlich hat man Fachliteratur dabei, damit man sich an einem ganz normalen Montag nicht wie ein Arbeitsdieb fühlt. Man schaut auch rein, lässt sich aber gerne von der Sonne ablenken, die durch die Zweige der Trauerweide blinzelt. Kurz und gut: Man ist zufrieden. Doch bevor man zum frohen Brummen ansetzt, bemerkt man einen Mann. Einen, der einem aus dem Vorjahr in unangenehmer Erinnerung ist, weil er einem nicht nur aufs Handtuch gerückt ist, sondern auch den Unterarm mit einem französischen Baguette verwechselt und reingebissen hat. Gut, dass die Badetasche groß genug ist, um sich in der ersten Aufwühlung dahinter verstecken zu können. Doch hat man als 50-Jährige keine anderen Lösungskompetenzen für so eine Situation? Doch. Man geht Kaffee trinken und beobachtet aus der Ferne. Und wenn man sich sicher ist, dass der Mann im Wasser ist, wechselt man unauffällig den Liegeplatz. Guter Plan – auf den ersten Blick. Der zweite fällt genau in das Gesicht dieses Mannes, der einen – oh Schreck! – wiedererkennt. Und los startet. Und wieder Kontakt aufnimmt. Und wieder sein Handtuch neben das eigene legt. Doch man hat sich ja schließlich weiterentwickelt und antwortet auf die Ansage „Ich war dir letztes Jahr lästig“ großzügig mit: „Nein, du warst mir nur zu nahe.“ Allerdings stellt sich heraus, dass man einen ähnlichen Prozess von einem inzwischen über 60-Jährigen nicht erwarten kann, denn der Arm, der einen an Knie, Arm und Unterschenkel angreifen will, sitzt immer noch locker. Und bevor man wieder gebissen wird, greift man zu Disziplinierungsmaßnahmen und streckt jedes Mal den Finger wedelnd in die Luft, wenn sich die Hand in die eigene Hälfte bewegt. Irgendwann rücke ich mein Selbstverständnis wieder gerade, bestärke mich darin, als Dompteuse eines Pensionisten untauglich zu sein, und mache mich auf den Heimweg. In der Disco zwischen Männern aus Afghanistan, Syrien und Somalia habe ich mich sicherer gefühlt.

Claudia Dabringer

Claudia Dabringer

Studium der Germanistik und Publizistik in Salzburg mit allem, was zu einer Studentenzeit dazugehört. Mehrjährige Konzentration aufs Radiomachen, bis alles durchexerziert war und das Schreiben wieder im Kopf präsent wurde. Seitdem freie Journalistin und als Fachtrainerin & Schreibpädagogin...
Kommentare  
# hartwig 2016-07-20 12:13
kann ich sehr nachfühlen!!!!!
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# magclaudiadabringer 2016-07-22 12:25
vielen dank für das verständnis!
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# Sylvia Václav 2016-08-01 08:39
Meteoriteneinschläge (oder Mottenschwärme) in der Sockenlade ... :D
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# magclaudiadabringer 2016-08-05 10:55
liebe sylvia, viele menschen finden tausend gruende, dinge NICHT zu tun, ich eben nur zwei XD
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