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Kürzlich rief mich ein alter Freund an und fragte mich, ob es mir eh gut gehe. Und das nicht nur einmal, sondern gleich stakkatoartig. Auf meine verwunderte Frage, wieso er so aufgeregt wäre, meinte er, er hätte durch das Lesen meines Blogs den Eindruck gewonnen, ich sei suizidgefährdet.

In Situationen, wo ich Reaktionen ernte, denen ich selbst in meinem nahezu grenzenlosen Verständnis keinen Platz zuweisen kann, mache ich meist kleine Umfragen im Freundes-, Bekannten- und Verwandtenkreis. So auch in diesem Fall. Eine Freundin in meinem Alter, die ich hin und wieder mit der Freigabe meiner Texte bemühe, wenn ich das Gefühl habe, dass ich vielleicht zu viel, zu deutlich, zu verfänglich geschrieben habe, antwortet: „Vielleicht versteht wer den Inhalt wieder nicht.“ Sie hat recht, denn es wäre ja nicht das erste Mal, dass ich missverstanden werde.

Dann befrage ich meinen Ex, den ich ebenfalls immer wieder mit dem Vorlesen meiner Ergüsse plage und der extrem sensibel auf alles reagiert, was irgendwie negativ, unerfreulich oder makaber klingt. „Lass dir das nicht einreden“, meint er, stets bemüht, mich auf die Sonne des Lebens hinzuweisen, auch wenn der Nebel schon beim Fenster reinkommt. Ein Männerding kann es also nicht sein. Sie wissen schon ‚Mann-Deutsch/Deutsch-Mann‘ oder ‚Frau-Deutsch/Deutsch–Frau‘.

Meine Mutter frage ich nur kurz, für sie ist das, was ich schreibe, ja von hinten bis vorne unverständlich. Warum, ist eine andere, dafür umso längere Geschichte. Aber sie gibt meinem alten Freund recht. Was also haben meine Texte, das mich zur potenziellen Anlaufstelle für die Herren mit den Gummijacken macht? Ich pflüge mich durch die Blogbeiträge der vergangenen Wochen, lächle in mich hinein, weil ich an diverse Situationen denken muss, die als Inspirationsquellen gedient haben. Und komme einfach nicht drauf.

Irgendwann bleibt nur mehr die Vermutung, dass wieder einmal Fremd- und Selbstbild extrem auseinanderklaffen. Ein Glück, wenn man Menschen trifft, wo beide deckungsgleich sind. Und doch will ich die anderen in meine Reflexion einbeziehen. Vor allem diesen Freund, der meinem Leben vor vielen Jahren eine wichtige Wendung gegeben hat. Er kennt mich noch aus Zeiten, die mit den jetzigen wenig zu tun haben. Auch wenn er in vielen Facetten seines Wesens noch sehr viel von dem jungen Mann hat, den ich vor 25 Jahren kennengelernt habe. Er war und ist geerdet in einer Art und Weise, an der ich mich früher abgearbeitet habe, die ich inzwischen aber sehr schätze. Er setzt meine aktuellen Befindlichkeiten in einen größeren Kontext, legt rundherum quasi einen (halben) Lebensrahmen. Das tut in vielen Fällen sehr gut. Doch wenn dann der Verdacht einer Suizidgefährdung auftaucht, kann ich das einfach nicht so abschütteln.

In meiner Welt ist es ganz selbstverständlich, dieselbe und mich selbst immer wieder auf den Prüfstand zu stellen. Und dann wird nach Reinhold Niebuhrs Devise ‚Gott gebe mir die Gelassenheit, Dinge hinzunehmen, die ich nicht ändern kann, den Mut, Dinge zu ändern, die ich ändern kann, und die Weisheit, das eine vom anderen zu unterscheiden‘ gehandelt. Dass ich mich vielem hingebe, was andere nicht einmal mit der Feuerzange angreifen würden, ist mein Karma. Dass ich Gelassenheit walten lasse, wo andere noch fünf weitere Alternativen ausprobieren, vielleicht auch. Doch Weisheit fällt nur selten von den Bäumen und deshalb denke ich über vieles nach. Und lasse Sie daran teilhaben. Dabei stellt sich eben auch hin und wieder heraus, dass das Leben weder ein Strandspaziergang noch ein Ponyhof noch sonst irgendein malerischer Ort ist, sondern eben tough. Und wenn man viel herumkommt, dann stellt man das auch in den verschiedenen Umgebungen fest. Das tut gut, weil es die Gewissheit von globalen Werten vermittelt. Yann Arthus-Bertrand hat mit seinem Filmprojekt ‚7 billion Others‘ demonstriert, dass überall auf der Welt eine ähnliche Auffassung von Liebe existiert, dass Träume auch in der desillusionierendsten Umgebung sprießen können und dass Glück auch am Ende der Welt eine Qualität ist.

Missstände zu sehen und sich trotzdem auf das Schöne zu konzentrieren empfinde ich als äußerst wichtig. Natürlich gehört auch das Bemühen dazu, diese Missstände zu beseitigen. Doch manchmal endet man damit in einer Sackgasse. Daran kann man sich abarbeiten, auch festbeißen – klar. Doch man kann sich genauso auf das Erfreuliche dieser Bemühungen konzentrieren. Nette Begegnungen, Lachen, Erkenntnisse. Das macht das Scheitern auch weniger schmerzvoll. Weil man immer auch gewinnt. Und Gewinner haben keinen Grund, diese Welt zu verlassen. In diesem Sinne: Vielen Dank für deine Sorge, alter Freund, mir geht es sehr gut.

Claudia Dabringer

Claudia Dabringer

Studium der Germanistik und Publizistik in Salzburg mit allem, was zu einer Studentenzeit dazugehört. Mehrjährige Konzentration aufs Radiomachen, bis alles durchexerziert war und das Schreiben wieder im Kopf präsent wurde. Seitdem freie Journalistin und als Fachtrainerin & Schreibpädagogin...
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