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Mein Jahresurlaub beschränkt sich normalerweise auf drei bis vier Wochen nach Weihnachten. Da kann ich gut entspannen und Abstand gewinnen, meine Füße im Sand vergraben, während andere Millionen in die Luft ballern. Doch manchmal wird die Zeit lange bis dahin. Da brauche ich dann eines ganz dringend: Orient.

Es ist ja derzeit wenig populär, dorthin zu reisen. Und nach meiner Rückkehr aus Istanbul erfahre ich, dass in der Zeit, wo ich meinen Kaffee und staubbezuckerte Blätterteig-Schichten zum Frühstück eingenommen habe, in Antalya eine Autobombe explodiert ist. Hat das die Stadt am Goldenen Horn erschüttert? Nicht dass ich irgendwas gespürt hätte. Was ich sehe, ist eine leicht erhöhte Polizeipräsenz. Doch da ich einer Generation angehöre, die die Exekutive eher als Schutz denn als Bedrohung empfindet, fühle ich mich sicher. Auch nachts, wenn ich durch den armenisch geprägten Stadtteil Kumkapi zu meinem Hotel schlendere. Die Armenier sind ja auch nicht gerade beliebt dieser Tage, vor allem bei der türkischen Regierung. Doch auch davon ist wenig zu spüren. Die Menschen gehen ihrer Weg, betreiben ihre Geschäfte, gehen Arm in Arm oder sitzen gemütlich beisammen.

Es ist mein drittes Mal in dieser Stadt, und ich will sie mir neu erobern. Einen frischen Blick auf Hagia Sophia und Blaue Moschee, den großen Bazar und das Treiben bekommen. Warum, ist eine andere Geschichte. Also lade ich meine Sachen in einer verkehrsberuhigten, aber bescheidenen Unterkunft ab und wandere. Vorbei an alten Holzhäusern, Parks mit spielenden Kindern, Männern mit Wägen voller Sesamkringel, die mir freundlich angeboten werden. Meine Ablehnung wird ebenso freundlich akzeptiert. Es heißt ja sehr oft, dass man als Frau in orientalischen Ländern einen schlechten Stand hat. „Lästig“ fällt in diesem Zusammenhang häufig, wenn es um die versuchte Kontaktaufnahme zwischen Männern und Frauen geht. Und natürlich wollen die Einheimischen ein Geschäft machen – wir etwa nicht hierzulande?

Ich werde in diesen Ländern häufig angesprochen, nicht immer bleibe ich stehen oder sage „Ja“ zu etwas. Doch ich empfinde es als selbstverständlich, mich mit einem Lächeln, einer Antwort oder beidem für die Angebote zu bedanken. Und manchmal ergibt sich ein Gespräch daraus, ein Glas Tee und der Blick in ein anderes Leben. Das trägt mich durch die Straßen, ich spüre mich und mein Strahlen, das andere wiederum erfreut. Sie helfen mir, wenn ich mich im großen Bazar verlaufe, Räucherstäbchen suche und bieten mir an, aus dem türkischen Kaffeesatz meine Zukunft zu sehen. Und sie wollen mich ins Nachtleben einführen, was mein Lächeln zu einem Grinsen verbreitert.

Als ich das einem jungen, mir nahe stehenden Menschen erzähle, lese ich ein „Nichts wie weg da!“. Eine Freundin rät mir, mit Ignoranz auf die Worte „I have electricity for you“ zu reagieren. Ich lehne also ab, was eine andere Freundin zur Frage bewegt: „Ist er nicht heiß genug?“ Das bringt mich zum Nachdenken, während die Whatsapp-Nachrichten aus dem großen Bazar sekündlich bei mir anbimmeln. Männer können echt schnell schreiben, wenn sie (etwas) wollen!

Ein Grund für meinen Besuch in Istanbul war, dass ich Derwische tanzen sehen wollte. Vor zwei Jahren war ich an der Wiege in Konya, ohne irgendeine Ahnung von Sufismus zu haben. Das habe ich inzwischen nachgeholt und wollte mit diesem Wissen schauen. Als ich das meinem Verehrer (Habe ich schon erwähnt, dass er 30 ist?) gegenüber erwähne, höre ich natürlich, dass er mein ganz persönlicher Derwisch sein könnte. Doch genau das erinnert mich wieder an den Ursprung. An meine Mitte und mein Ziel. Bei allem Charme und aller Kreativität, mich umzustimmen, bringt mich das näher an mich heran. Das „Mmmmmmmh“ für den Derwisch überwiegt gegenüber dem „Nnnnnnnh“ des verlockenden Angebots (siehe Blog vom 2. September „Mmmmmmmmmmmh oder Nnnnnnnnnnnh“ ).

Und während sich der Derwisch vor meinen Augen dreht, schraubt sich etwas in mein Herz. Nämlich, dass Istanbul endlich mir gehört. Dass ich meinen Frieden gemacht habe mit dieser Stadt. Dass mich ihre Energie trägt, bis ich wieder meine Koffer packe. Und vielleicht auch darüber hinaus. Wie heißt es in Mehmet Gürcan Daimagülers „Kein schönes Land in dieser Zeit“ : „Kismet bedeutet, dass wir nur von den Wellen des Lebens getrieben werden – mal an diesen, mal an jenen Ort.“ Ich muss Schluss machen – es hat schon wieder gebimmelt.

Claudia Dabringer

Claudia Dabringer

Studium der Germanistik und Publizistik in Salzburg mit allem, was zu einer Studentenzeit dazugehört. Mehrjährige Konzentration aufs Radiomachen, bis alles durchexerziert war und das Schreiben wieder im Kopf präsent wurde. Seitdem freie Journalistin und als Fachtrainerin & Schreibpädagogin...
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