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Leben

Unsere Redakteurin besucht ein Tantra-Seminar und lernt mit elf fremden Frauen ihre eigene Scham, viel nackte Haut und eine besondere Massage-Technik kennen. Mit lauter Fremden soll ich die Yoni-Massage lernen, eine Tantra-Praktik, mit der Frauen ihre eigenen und die Genitalien der anderen massieren.

Wien, ein kalter Februartag. Ich stapfe mit einer Freundin durch den Park und habe Gänsehaut. Morgen früh geht der Flug nach Deutschland zu dem mutigsten Seminar, für das ich mich je angemeldet habe: vier Tage Tantra unter Frauen. Mit lauter Fremden soll ich die Yoni-Massage lernen, eine Tantra-Praktik, mit der Frauen ihre eigenen und die Genitalien der anderen massieren.

Ich will nicht!

Meine Freundin lacht und macht mir Mut aber innerlich habe ich mich schon abgemeldet. Ich werde heute noch anrufen und absagen. Da klingelt das Telefon. Die Seminarleiterin ruft aus Köln an, um ich zu warnen, dass die Fluggesellschaften streiken. Also nicht nur ich bin im Streik. Sie beruhigt mich, als ich von meiner Panik erzähle. „Das geht allen am Anfang so." Ich solle mir keine Sorgen machen, schließlich ist alles freiwillig und ich mache nur das mit, was ich will.

 

Tantra-Seminar

 

So finde ich mich am nächsten Tag im Rheinland in einem Seminarhaus mit elf anderen Teilnehmerinnen und einem Haufen Utensilien, die auf der Packliste genannt waren. Seidentücher (sogenannte Lungis), Gleitgel, Massageöl, Federn, Fächer, Decken. Ich habe noch keine Ahnung, wie die Gepflogenheiten auf einem Tantra-Seminar sind. Als die Leiterin ankündigt, dass wir schon zu Beginn alle in Lungis erscheinen sollen, wird mir schlecht. Am liebsten würde ich mich an meiner Jogginghose festklammern. Auch wenn dieses locker gewickelte Seidentuch den Körper bedeckt, komme ich mir nackt vor, einfach nur mit einem Stück Stoff und nichts darunter. Wir sind zwölf Frauen zwischen 31 und 55 Jahren. Die meisten schon Mütter, viele bereits Tantra-erfahren mit ihrem Partner und jetzt interessiert an einem Kreis nur unter Frauen. Alle anderen scheinen ganz souverän, während ich mich in dem Lungi verheddere, weil ich nicht weiß, wie so etwas gebunden wird. Erst später erfahre ich, dass ich nicht die einzige war, die bei der Info "alle in Lungis" blass wurde. Auch Sandra aus dem Rheinland wäre am liebsten wieder nach Hause gefahren. Sie habe sich schon vor Schreck verschluckt, als sie beim Mittagessen erfuhr, dass wir die Yoni-Massage nicht an uns selbst, sondern an einer anderen Frau lernen. Sie habe tapfer durchgehalten und als sie mir am dritten Tag von ihren "Todesschrecken" erzählt, kringeln wir uns vor Lachen.

In den Morgenrunden traut sich immer wieder eine von uns, die Unsicherheit zu gestehen

- zum Beispiel Anita, die total irritiert ist, als sie sieht, dass alle rasiert sind, während ihre Schamhaare in einem üppigen Wirbel schwarz leuchten. Kaum hat sie es ausgesprochen, sind alle erleichtert. Viele hatten sich das gleiche gefragt und unauffällig links und rechts geschaut, wie es die anderen machen. Ich hatte den selben Gedanken zu Beginn, aber da lief mir gerade genau diese Anita über den Weg und ich dachte erleichtert "Ah, super, dann passt ja mein Kurzhaarschnitt." Wie entspannend, nach und nach zu merken, dass ich mit all meinen Ängsten und Unsicherheiten nicht allein bin, sondern dass es fast jeder so geht, sich zu vergleichen oder zu fürchten. Wie erleichternd, dass wir ein Kreis sind, in dem all das aussprechbar ist und dadurch an Schrecken verliert. So läuft schließlich jede herum, wie sie Lust hat - mit oder ohne Schamhaare, mit guten oder gar nicht rasierten Beinen. Wir sitzen also am ersten Tag in Lungis auf dem Boden im Kreis und beginnen die Reise. Schon am Nachmittag finde ich mich gegenüber einer Frau wieder - wir beide nackt. Die Aufgabe der einen ist es, die andere mit Blicken zu verehren - jede Stelle ihres Körpers, während die Verehrte sich in den Blicken sonnt und räkelt. Überraschenderweise ist dieser Part für mich schwieriger, als die Verehrung. Am nächsten Tag habe ich die Aufgabe, Sandra die Angst zu nehmen, obwohl mir selbst flau wird. Wir sitzen nackt voreinander und sollen gemeinsam die Yoni (tantrischer Begriff für die weiblichen Genitalien Vulva, Vagina und Uterus) der einen von uns beiden erforschen und dann wechseln. Das scheint mir fast ein Unding - allein geht ja noch - aber dass sie mir dabei zuschaut!?

Und dann geht es ganz leicht, weil es zu zweit mehr Spaß macht,

all die Stellen und Gewebe kennenzulernen, die rund um meine Vagina liegen, die alle ihre Funktion haben und jede eine andere Erregbarkeit. Auch Sandra überlebt es und kann es am Ende genießen. Am Abend liegen wir in einem großen Haufen nackt quer aufeinander, durcheinander, auf weichen Decken. Mit geschlossenen Augen, die Hände überall, Hände auf mir, die ich nicht zuordnen kann - berühren, berührt werden, Körper, Haut, Wärme und Gegenwart. Es ist wunderschön und könnte noch ewig dauern. Als ich später allein im Bett liege, traue ich meiner Erinnerung kaum. Wirklich, war ich das? Vor drei Tagen hätte ich mir nicht träumen lassen, dass ich so etwas genießen kann. Die beiden Seminarleiterinnen schaffen einen Raum, in dem Vertrauen und Einlassen möglich wird und so ist es am nächsten Tag schon soweit: wir üben unsere erste Yoni-Massage. Michaela und Gitta, die beiden Leiterinnen, zeigen es vor und erklären alles im Detail. Es ist der erste Orgasmus einer Frau, den ich miterlebe. Was für ein Bild! Die beiden in der Mitte auf einer Decke. Michaela gibt die Yoni-Massage und erklärt uns dabei jeden Schritt, während wir alle gebannt ganz nah im Kreis sitzen und andächtig bestaunen, was da passiert.

 

Yoni-Massage

 

Nach dem Mittagessen liege ich auf der Matte und Lisa, eine wunderschöne Schwangere, massiert mich. Es beginnt mit einer zärtlich, sinnlichen Körpermassage - erst die Körper-Rückseite, dann die Vorderseite, mit einem Seidentuch, mit Federn, mit den streichelnden Fingern, dann mit Öl. Nach dieser ersten dreiviertel Stunde bin ich schon komplett dahingeschmolzen. Das schöne ist die Nähe und Verbundenheit die entsteht, weil auch die Gebende nackt ist und voller Verehrung massiert, wie wir am ersten Tag schon geübt hatten. So ist es auch nicht komisch für mich, als sie zur Yoni-Massage übergeht. Dabei nähert sie sich von außen, massiert Akkupressurpunkte in den Leisten, wärmt und energetisiert Eierstöcke und Gebärmutter und streicht immer wieder über die Brust zum Herzen. Dann beginnt sie langsam die äußeren Schamlippen zu massieren, eine nach der anderen. Das besondere an der Yoni-Massage ist, dass ich als Empfangende dabei meinen eigenen Körper und meine Sexualität besser kennenlerne. Durch die sanfte, achtsame Berührung jeder einzelnen Stelle wird vieles erst getrennt voneinander spürbar. Lisa fragt ab und zu, ob Druck und Stärke angenehm für mich sind. Sie geht nach den inneren Schamlippen über zum Damm, dann zum Hütchen über der Klitoris-Perle, dem Schaft darüber, der zarten Haut zwischen Klitoris und der Vagina-Öffnung wo die Harnröhre endet. So wird ganz sanft das Gewebe geweckt, durchblutet und die Erregung steigt. Zwischendurch streicht sie immer wieder über den ganzen Körper, meine Arme, meine Beine, meine Brust und den Bauch. Schließlich beginnt sie, die Perle der Klitoris sanft zwischen den Fingern zu massieren und bereitet damit die intensivere Phase der Massage vor. Durch die Erregung der Klitoris an der 8.000 Nerven enden, beginnt sich die Vagina zu öffnen. Anders als in meiner Vorstellung ist das kein offener Kanal, sondern ein geschlossener, dessen Wände sich aufeinanderlegen. Deshalb sprechen viele Männer ganz richtig von "eindringen".

Anstatt zu warten bis die Vagina soweit ist und sich öffnet, habe ich viele erlebt, die einfach mit Druck den Penis in mich hineinschieben wollten.

In der Massage legt Lisa irgendwann den Mittelfinger an die Vaginaöffnung und fragt mich, ob sie hineingleiten darf. Dann braucht sie nichts weiter zu tun, weil der Finger von selbst durch die Beckenbodenmuskeln in die Vagina hineingesaugt wird. Dort beginnt sie die Vagina-Wände zu massieren - im Uhrzeigersinn, so dass sie mit Fingerwechsel nach einer Runde beim G-Punkt ankommt, den sie massiert, während sie die Klitoris streichelt oder zwischen den Fingern massiert. Durch diese intensive Stimulation löst sie irgendwann den Orgasmus aus, den ich als lang und intensiv erlebe. Danach beendet sie das Ritual mit derselben Achtsamkeit, schließt die Yoni, streicht wieder über die Brust zum Herzen, deckt mich sanft zu und legt sich an meine Seite. Wir liegen da und reden darüber wie es war. „Es war wow! Wunderschön!" Und wirklich nicht komisch, dass es eine Frau ist. Mich hat das sogar erleichtert, weil klar ist, dass sie keine weiteren Erwartungen hat, dass ich nicht nach meinem Orgasmus, mit ihr schlafen, oder ihren Penis in den Mund nehmen muss.

 

Yoni-Massage

 

Nach der Abend-Pause bin ich dran und massiere sie. Das ist genauso schön, weil ich auch als Gebende ganz intensiv spüre. Es ist nicht komisch, sie so intim zu berühren. Lisa liegt da vor mir mit geöffneten Beinen und genießt. Zwischendurch sagt sie mir, wenn sie es anders oder fester will. Das fällt mir schwer - richtig fest zu drücken, zu reiben oder zu massieren - aus Angst ihren zarten Körper zu verletzen. Aber – so erklärt mir die Leiterin - die Vagina wird erregt durch Druck und Dehnung, nicht durch zartes Streicheln, auch wenn ich das der weiblichen Sexualität gern zuordne. Wie schnell gehen bei mir Klischee-Schubladen von Kaninchen-Rammel-Bildern auf, wenn ich die Frau schneller oder stärker massiere. So lerne ich langsam, dass das nichts schlechtes oder falsches ist. Für den letzten Tag steht eine Freestyle-Massage auf dem Programm, diesmal ohne Anleitung. Auch das macht mir Spaß. Ich bin allerdings eine der wenigen, die als Massierte die Ermunterung der Leiterinnen ernst nimmt, sich ganz hinzugeben und fallen zu lassen. Wir sind alle gleichzeitig in dem großen Seminar-Raum. Auf der anderen Seite des Giebel-Hauses hält eine Männergruppe ein Seminar. Das hindert mich nicht, mit jeder Faser zu genießen und alle anderen auszublenden, dementsprechend laut werde ich dabei. Nach der Massage, lache ich vor Staunen, dass es mir wirklich so egal war und ich wahrscheinlich das ganze Seminarhaus zusammengebrüllt habe.

 


Dieser Artikel erschien in der Ursache\Wirkung №. 87 „Tantra"

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Ich entdecke viel über mich in diesen Tagen: Wie leicht es mir fällt, mich einzulassen, zu berühren, nah zu sein, nackt zu sein, auszuprobieren und mich zu zeigen. Überraschend, dass die schwierigste Übung im ganzen Seminar für mich eine ist, in der jede einzeln vor der Gruppe einen Walk macht - so tun als gehe ich an einem Café vorbei, in dem lauter tolle Männer sitzen, die ich beeindrucken will. Da bekomme ich wirklich kurz Stress. Der Flug und mein Mut haben sich gelohnt. Ich entdecke, wie wunderschön ich meinen Körper finde und dass er einfach schon lange perfekt ist. Ich bin dankbar, dass ich keine Erfahrungen von Missbrauch in meiner Kindheit gemacht habe. Viele der Frauen im Seminar sind dadurch geprägt und heilen diese Schmerzen langsam. Ich genieße es mit diesen wundervollen Frauen zu sein, die meine Freude und meine Neugier am Entdecken der Sexualität teilen und mutig sind, einfach auszuprobieren. Auch die Schönheit jeder Einzelnen zu sehen - egal ob dünn oder dick, glatt oder faltig, straff oder schlaff. Jede ein Kunstwerk für sich. Es ist genüsslich für diese Tage so ganz im Kreis und der Kraft der Frauen zu sein. Unser Tun, Berühren und Massieren ist so logisch, so einfach und selbstverständlich, als sei es das Natürlichste auf der Welt. Nur zwischendurch zwinkere ich manchmal ungläubig mit den Augen, ob das alles real ist und was wir da tun. Es scheint komplett neu und unbekannt und zugleich uralt und unendlich vertraut. Gleich nach meiner Rückkehr lade ich all meine Freundinnen zu Gratis-Massagen ein - mit der Überzeugung „Es ist nicht komisch, außer man lässt es komisch sein." Keine meldet sich daraufhin. Vielleicht braucht es erst die Erfahrung dieser fremden Welt, um so einen Flug zu wagen.

Für Interessierte an dem Seminar:
http://www.tantramassagen.de/

Kommentare  
# Romina 2016-01-12 23:50
Danke für diesen ausführlichen Erfahrungsbericht. Ich habe geweint. Erst wenn man dies selbst erlebt hat kann man fühlen, was das für eine Bereicherung grüner einen selbst.
Danke Michaela, für deinen Mut und dein Engagement diesen Raum für uns zu schaffen.
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# Yvonne Frei 2016-02-15 17:13
Tantra ist bewegend und erfüllend. Toll, dass es hier fokussiert wird.
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# Mimsi Mimiline 2016-02-15 17:13
Ja und auch schon ausprobiert :)
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